Nach der großen Ausstellung im Museum der Bildenden Künste 2019 ist das MalerInnen-Netzwerk Berlin/Leipzig + Gäste zum ersten Mal wieder in Leipzig zu sehen; erstmals mit einer inhaltlich politischen Ausstellung, die an zwei Orten, dem Kunstkraftwerk und der Galerie Potemka stattfinden wird: Im Gedenken an Elsa Asenijeff, deren Leben viele Fragen aufwirft, wird ein Bogen gespannt zur Situation der Frauen und Künstlerinnen in der Gegenwart.
Aktuell wird Klingers hundertjähriges Jubiläum mit einer großen Werkschau im MdbK in Leipzig zelebriert. Elsa Asenijeff, vor allem bekannt als Lebensabschnittsgefährtin und Muse Klingers, ist viel weniger bekannt als er. Dabei war sie zu Lebzeiten eine gefeierte Schriftstellerin. Auch rezensierte sie Skulpturen Klingers – wie den Beethoven – in Katalogen und war mit ihm auch auf intellektueller Ebene verbunden. Elsa war es wichtig, mit einem prominenten Mann der intellektuellen, künstlerischen Welt liiert zu sein; weniger wichtig war ihr die Bindung zu ihren eigenen Kindern. Sie gab ihren Sohn an ihre Mutter, die (mit Klinger gemeinsame) Tochter an eine französische Pflegemutter ab. Diese aus heutiger Sicht befremdlich anmutende Wahl, war teilweise an die Gepflogenheiten der Zeit, an die persönlichen Umstände und durchaus auch an ihre schriftstellerischen Ambitionen gekoppelt.
1916 wurde Elsa von Klinger ausgetauscht durch die blutjunge Gertrud Bock. Elsas Liebe zerbrach und auch ihre finanzielle Abhängigkeit von Klinger wurde spürbar. Er hatte ihr Leben finanziert und nun zog sie aus ihrer Wohnung im Leipziger Musikerviertel in die Obdachlosigkeit und verarmte. An Klingers Seite wurde sie als femme fatale, als extravagante Muse und Dichterin gefeiert: nun blieb ihr Werk unbeachtet und sie wurde als “Querulantin” diffamiert und als “Verrückte”; entmündigt. Ihr Ruf als Schriftstellerin wurde nachhaltig zerstört. Vor dem Rathaus Leipzigs wurde sie abgefangen und in die psychische Heilanstalt nach Leipzig-Dösen deportiert. Im Jahr 1933 kam sie schliesslich in die “Korrektionsanstalt für asoziale und arbeitsunwillige Erwachsene” in Bräunsdorf bei Freiberg. Die letzte Station ihres Lebens. Mit ihrem Ableben 1941 geriet ihr Werk in Vergessenheit. Bis heute ist sie nicht rehabilitiert. In Leipzig, in jener Stadt in der sie viele Jahre an der Seite Max Klingers wirkte, wird sie vielfach lediglich als Muse des Malers aufgeführt. Ihr Schicksal ist vergleichbar mit dem Camille Claudels und Hilda af Klints.
Die Ausstellung versucht nicht die Perspektive Asenjieffs einzunehmen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass etliche ihrer Lebenspunkte nicht in der Vergangenheit enden, sondern ihre Schatten bis in die heutige Zeit werfen. Allein dass die in der NS-Zeit verfolgten “Asozialen”, die mitunter in KZs verendeten, erst im Februar 2020 als Opfergruppe anerkannt wurden, belegt die Dimension der Aktualität dieser Zeitbezüge.
Auch was den Blick auf die Frau angeht, existieren unveränderte Muster: Noch immer werden Frauen, die hart verhandeln, zwar nicht mehr als “Querulantin”;, dafür aber als “hysterisch” und “aggressiv” abgestempelt und somit sind Eigenschaften, die bei Mal*nnern als Kampfgeist und Durchsetzungsvermögen gelten, bei Frauen noch immer negativ konnotiert. Ein anderes Beispiel ist, dass die Mutter, die ihre Kinder verlassen hat, per se als eine Rabenmutter betrachtet wird. Ein Vater ist hingegen in dem Fall kein Rabenvater. Seine Absenz wird in der Gesellschaft viel eher hingenommen und sogar geduldet.
Nicht zuletzt sei darauf verwiesen, dass sich Elsa trotz ihres Eifers, ihrer Umtriebigkeit und all ihrer Veröffentlichungen als Künstlerin ökonomisch nicht über Wasser halten konnte und ihr Werk nach der Trennung von Klinger kaum noch Beachtung fand. Auch hier gibt es ein Dejavu in Anbetracht der fehlenden Anerkennung, bzw. Nicht-Anerkennung weiblicher Künstler, die bereits den Druck als gegeben betrachten, mehr leisten zu müssen, besser sein zu müssen als ihre männlichen Kollegen, um einen Bruchteil der visuellen Sichtbarkeit ihrer Werke, bzw. ihrer Existenz in öffentlichen Museen und Sammlungen zu erhalten.
Künstlerinnen: Sabine Graf, Franziska Güttler, Nina K. Jurk, Tobia König, Agnes Lammert, Kathrin Landa, Corinne von Lebusa, Carina Linge, Claudia Loclair, Anija Seedler, Tanja Selzer, Alex Tennigkeit, Kathrin Thiele
Konzipiert von Claudia Loclair und Lu Potemka kuratiert von Lu Potemka
Following the major exhibition at the Museum der Bildenden Künste in 2019, the Painters’ Network Berlin/Leipzig + Guests will be back in Leipzig for the first time with a political exhibition that will take place at two venues, Kunstkraftwerk and Galerie Potemka: In memory of Elsa Asenijeff, whose life raises many questions, an arc is drawn to the situation of women and artists in the present.
Klinger’s centenary is currently being celebrated with a major exhibition of her work at the MdbK in Leipzig. Elsa Asenijeff, primarily known as Klinger’s companion and muse, is much less well-known than he was. Yet she was a celebrated writer during her lifetime. She also reviewed Klinger’s sculptures – such as the Beethoven – in catalogs and was also connected to him on an intellectual level. It was important to Elsa to be in a relationship with a prominent man from the intellectual, artistic world; less important to her was the bond with her own children. She gave her son to her mother and her daughter (whom she shared with Klinger) to a French foster mother. This choice, which seems strange from today’s perspective, was partly linked to the customs of the time, to personal circumstances and certainly also to her literary ambitions.
Artists: Sabine Graf, Franziska Güttler, Nina K. Jurk, Tobia König, Agnes Lammert, Kathrin Landa, Corinne von Lebusa, Carina Linge, Claudia Loclair, Anija Seedler, Tanja Selzer, Alex Tennigkeit, Kathrin Thiele
Conceived by Claudia Loclair and Lu Potemka curated by Lu Potemka
If you are interested in this artwork, please send an email to info@anija-seedler.de